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Vortrag Uwe Buermann

  • Rudolf Steiner Schule 312 Rorschacher Strasse St. Gallen, SG, 9016 Switzerland (map)

„Wie Unfalltourismus am Potsdamer Platz“

Uwe Buermann, Medienpädagoge und Autor aus Berlin, hat am 1.3.2018 in der Steiner Schule St.Gallen einen gut besuchten Vortrag zum Thema Medienkompetenz gehalten.

Rasch füllte sich das neue Foyer mit Eltern der Schule und externen Gästen, und schon bald mussten zusätzlich Stühle aus den Schulzimmern geholt und „angebaut“ werden. Uwe Buermanns guter Ruf war ihm vorausgeeilt - der Medienpädagoge aus Berlin, der seit vielen Jahren und in weiten Teilen Europas mit Schülern arbeitet und Lehrer zu Medienpädagogen ausbildet, war zu einem Vortrag und zu einem Vormittag praktischer Arbeit mit den Schülern der Steiner Schule zu Gast.

Durch sein rhetorisches Talent, sein spürbares und von Herzen kommendes Engagement und durch sein enzyklopädisches Faktenwissen, immer wieder untermauert von den aktuellsten Forschungsergebnissen, schlug Buermann zwei Stunden lang die Zuhörer in seinen Bann. Da war kaum jemand, dem nicht aufgrund der dargelegten Tatsachen und Fallbeispiele der Mund vor Staunen offenstand, der sich nicht das ein oder andere Mal im eigenen Medienverhalten ertappt sah. Vieles, was Buermann an aktuellen Fakten vermittelte, war schlicht schockierend - beginnend mit den kontinuierlichen und folgenlosen Rechtsbrüche, mit denen sich Google, Facebook und Konsorten über die Persönlichkeitsrechte der Nutzer hinwegsetzen und die wir fast schon als gegeben hinnehmen. Computer- und Internetsucht wird mittlerweile von der WHO der Alkohol- und Drogensucht gleichgesetzt. Der Bedarf nach Therapieplätzen ist länderübergreifend bereits jetzt so gross, dass die Kliniken kaum mithalten können mit der Bereitstellung entsprechender Therapiestationen. Die Kindesgefährdung durch die unkontrollierte und überzogene Nutzung der Neuen Medien ist so eklatant, dass es auf juristischer Ebene bald, und mittelfristig wohl auch in der Schweiz, eine „digitale Fürsorgepflicht“ der Eltern geben wird, bei deren Vernachlässigung die Jugendschutzbehörden einschreiten und das Kind vor einer nachhaltigen Schädigung schützen sollen. Um unsere Kinder zur Medienkompetenz zu erziehen, so Buermanns These, müssen die Eltern zuallererst selbst medienkompetent werden – und dürfen sich nicht auf die klassische Ausrede zurückziehen, dass ein Heranwachsender seine Privatsphäre brauche oder dass der Jugendliche ohnehin mehr von der Materie verstehe als man selbst und es deshalb gar nicht möglich sei, den kindlichen Medienkonsum wirkungsvoll zu überwachen.

Gegen diese Unsicherheiten lieferte Buermann schnell, konkret und nicht ohne Aha-Effekt bei den anwesenden Eltern, einen Katalog von eingängigen, leicht umsetzbaren Massnahmen sowie alternativen Suchmaschinen und Nachrichtendiensten, die sich dem Monopol der Internet-Giganten entgegenstellen. Buermann verglich die rasante Entwicklung im Medienbereich mit den Anfängen der motorisierten Mobilität vor rund hundert Jahren: Auch hier habe es zu Beginn weder Regeln noch Grenzen gegeben, die Autobesitzer seien einfach drauflos gefahren - mit dem Ergebnis, dass die Berliner Haute Volée sich regelmässig am Potsdamer Platz traf, um die zahlreichen Unfälle zu bestaunen. Erst mit der Zeit hätten sich Grundregeln und Sicherheitsmechanismen entwickelt, irgendwann dann eine Gesetzesgrundlage durch das Strassenverkehrsgesetz. Vor eine ganz ähnliche Situation sehen wir uns heute mit den Neuen Medien gestellt, und kompetenten Fachpersonen wie Uwe Buermann ist es zu verdanken, wenn wir die rasanten Entwicklungen in diesem Feld unfallfrei überstehen.

Earlier Event: February 24
Kulturgala 2018
Later Event: March 10
Tag der Offenen Tür